Muss Kaffee erst reifen, um gut zu werden?

KaffeeTechnik Seubert GmbH
2023-03-28 10:54:00 / Kaffeewissen / Kommentare 0
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Viele Lebensmittel müssen erst eine Zeit lang reifen, ehe sie wirklich gut werden. Wein zum Beispiel, aber auch guter Käse setzt einen gelungenen Reifeprozess voraus.

Kaffeebohnen von frisch bis geröstetEinen guten Wein kann der Kenner reifen lassen, doch wie sieht es mit Kaffee aus? Denn anders als etwa der gute Wein, wird Kaffee mit dem Alter nicht besser, sondern verliert an Geschmack und Aromen. Am schnellsten verliert bereits gemahlener Kaffee sein Aroma, gleichzeitig nimmt er auch die Gerüche seiner Umgebung zügiger auf und entwickelt im Laufe der Zeit andere, eher unerwünschte Aromen. Aber auch in Form gerösteter Bohnen kann Kaffee nicht unbegrenzt aufbewahrt werden. Die beim Röstvorgang in den Kaffeebohnen eingeschlossenen Gase, vor allem Kohlendioxid, sind ein wesentlicher Faktor, um den Kaffee frisch zu halten. Sie verflüchtigen sich allerdings schnell, da die geröstete Kaffeebohne sie nur schwer in ihrem Inneren halten kann. Außerdem gilt, je älter der geröstete Kaffee ist, desto mehr der enthaltenen Zellulose und Hemizellulose verbindet sich mit den ebenfalls enthaltenen Lipiden und gelangt so durch die Zellmembranen der Bohnen nach außen. Auf diese Weise verliert der Kaffee nicht nur an Geschmack, sondern wird gleichzeitig auch fade und muffig. Im schlimmsten Fall nimmt der Kaffee später sogar einen ranzigen Geschmack an.

Zu alter Kaffee verliert an Aromen und Geschmack

Etwas anders sieht es mit Rohkaffee aus. Richtig behandelt und gelagert hält er sich eine ganze Zeit lang. Kaffeeröster bezeichnen Rohkaffee bis zu einem Alter von 12 Monaten noch als „neu“, als „frischen“ Kaffee bezeichnen Experten allerdings in der Regel nur Kaffeebohnen der aktuellen Erntesaison. Dennoch altert natürlich auch Rohkaffee und die Alterung hat in erster Linie negative Auswirkungen. Alter Rohkaffee entwickelt einen unangenehm holzigen und papierartigen Geschmack. Außerdem verliert er im Laufe der Zeit an positiv wirkenden Säuren, der daraus geröstete Kaffee kommt dann oft mit einem eher faden, langweiligen Geschmack in die Tasse. Die rohen Kaffeebohnen verlieren mit dem Alter auch ihre frische grün-graue Färbung und werden dunkler bis hin zu einem braunen oder schwarzen Farbton.

Kaffee kann durch kontrollierten Alterungsprozess besser werden

Kaffeekirschen kurz nach der ErnteDer Alterungsprozess führt zwar in beiden Fällen zu einem faden, alles andere als überzeugenden Ergebnis in der Tasse, dennoch kann Kaffee gewissermaßen auch zu frisch sein. Erfahrene Kaffeeröster lassen die frisch gerösteten Kaffeebohnen erst einmal ausgasen, statt sie sofort in den Verkauf zu geben. In dieser ersten Ruhephase blockiert das Kohlendioxid die Entwicklung erwünschter Aromen und Geschmacksnoten eher, als dass es zu deren Verflüchtigung beitragen würde. Erst nach einem bestimmten Zeitraum, abhängig von den verwendeten Bohnen und dem Röstvorgang, sollte der Kaffee fachgerecht verpackt und dann in den Handel gebracht werden.

Zusätzlich gibt es bereits beim Rohkaffee bestimmte Verfahren, die einen kontrollierten Reifeprozess in Gang setzen sollen. Das bekannteste ist sicher das Monsun-Malabar-Verfahren, für das vor allem Kaffee aus dem Süden Indiens bekannt ist. Dabei wird der frisch geerntete Kaffee über zwei bis drei Monate den Witterungsverhältnis während der Monsunzeit ausgesetzt. Zusätzlich simulieren manche Kaffeefarmer noch die Verhältnisse, die früher auf alten Segelschiffen geherrscht haben. Auf diese Weise erhält der Monsun-Malabar-Kaffee jene Aromen und Geschmäcker, die er angenommen hatte, als er noch über einen langen Zeitraum übers Meer nach Europa transportiert wurde. Im benachbarten Sumatra, einem Teil Indonesiens, wird ein ähnliches Verfahren eingesetzt, bei dem die Kaffeebohnen sogar über Jahre hinweg reifen. Dieser dann nahezu säurefreie Kaffee soll Kaffeeexperten nach ein besonders kräftiges Mundgefühl hervorrufen.

Kontrollierte Reifeprozess in Whiskeyfässern

In Südamerika experimentieren Kaffeefarmer hingegen den Kaffee in Fässern reifen zu lassen, die zuvor zur Lagerung von Wein, Whiskey oder Rum genutzt wurden. Ziel ist es, die in den Fässern bei der Lagerung der Getränke aufgenommenen Aromen auf die Bohnen zu übertragen. Manche Kaffeefarmer fügen auch gezielt noch Früchte und andere Lebensmittel hinzu, von denen sie sich ein besonderes geschmackliches Erlebnis für den späteren Kaffee versprechen. Egal ob nur in „gebrauchten“ Fässern gereift, oder mit Zugabe von Früchten, der Fassreifungsprozess hat sich bei der Übertragung der gewünschten Aromen als sehr effizient erwiesen. In Whiskeyfässern gereifter Kaffee behält auch später in der Tasse ein feines Whiskeyaroma.

Gekonnt in der Verarbeitungskette eingesetzt, macht es also durchaus Sinn, Kaffee auch altern zu lassen. Egal ob als Reifeprozess direkt nach der Ernte oder um überschüssiges Kohlendioxid nach dem Röstvorgang entweichen zu lassen, es braucht vor allem Erfahrung, um zu einem perfekten Ergebnis zu kommen. In beiden Fällen müssen Kaffeefarmer bzw. Kaffeeröster den richtigen Zeitpunkt wählen, ehe der Alterungsprozess ins Negative umschlägt.